Zur falschen Zeit am falschen Ort …

Unsere Handtücher sind schon wieder kratzig vom Salzwasser, es ist wohl Zeit für eine Wäsche. Da Thomas noch mit dem Optimieren der Schläuche um unser kleines Wasserwerk beschäftigt ist, mache ich mich alleine mit dem Schlauchi und dem Wäschesack auf den Weg. Nur 12 EC (4€) kostet die Wertmarke (Coin) für die gut gepflegte Maschine. Während sie läuft chatte ich ein wenig mit unserer Tochter. So vergehen die 40 Minuten wie im Flug und ich mache mich mit unserer duftenden Wäsche auf dem Weg zum Schlauchboot. Aber dort komme ich nicht an. Die kleine Brücke, die Land und Steg verbindet und den Tidenunterschied ausgleicht, flutscht unter mir weg. Ich kann mich gerade noch mit den Armen abfangen und wieder hochdrücken. Dass an meiner Wade eine riesige Wunde klafft, habe ich gar nicht gleich gemerkt. Ich bin schockiert. Niemand hat mich gesehen, so dass ich mich die paar Meter zum Lokal hochschleppen muss. Das Team des Restaurants reagiert sofort. Während ich mich erstmal auf dem Boden niedergelasse, wird der zertifizierte Ersthelfer und Verbandsmaterial organisiert.  Glücklicherweise funktioniert auf Grenada das Datenroaming meines Telefonanbieters und ich kann Thomas auf der Seestern erreichen. Inzwischen steht schon ein Fahrer der Coast Gard samt Auto auf dem Parkplatz.
Thomas sucht indessen verzweifelt nach einer Fahrgelegenheit vom Boot zum Steg. Denn das Schlauchi ist ja bei mir. Alle anwesenden Yachten, von denen wir Telefonnummern haben, sind irgendwie an Land unterwegs. Durch lautes Rufen erreicht er unseren britischen Bootsnachbarn, der auch gleich zu Hilfe eilt. Schnell werden noch ein paar Dinge für den Weg in die Notaufnahme geschnappt und schon beginnt die schnelle, nasse Fahrt …

Inzwischen werde ich gut versorgt und alle paar Minuten besorgt gefragt, ob auch alles ok ist. Die Wunde ist zugedeckt und ich habe keine großen Schmerzen, dann ist wohl alles soweit gut. Aber ich soll ins Krankenhaus zum Nähen und mein Kindheits-Krankenhaustrauma meldet sich schon ganz leise im Hinterkopf. Wo bleibt Thomas bloß so lange, der Fahrer wird auch schon etwas ungeduldig.
Ich bin heilfroh, als ich ein kleines schnelles Bötchen kommen sehe. Die Verbindung zum Steg ist inzwischen auch wieder hergestellt. Es ist halb eins und alle Menschen der Stadt scheinen auf dem Weg zum Lunch zu sein und die Straßen zu verstopfen. Unser Fahrer kennt ein paar Schleichwege und wir schaffen die normalerweise 20 Minuten Weg immerhin in 45 Minuten. Das letzte Stück den steilen Berg hinauf, es ist die offizielle Emergencyroute, wird ganz besonders spannend …

Dann heißt es wieder warten, diesmal in der Notaufnahme. Es ist ordentlich voll und fast alle Stühle sind besetzt. Nach einer guten Stunde darf ich in den nächsten Raum zum kontrollieren der Vitalwerte und den Abgleich der persönlichen Daten. Dann geht es in ein kleines, schmales, hellblaues Einzelzimmer. Hier kommt nach einer Weile eine junge Ärztin, die sich meiner Wunde annimmt (die Einzelheiten erspare ich euch). Thomas sitzt inzwischen tapfer zur moralischen Unterstützung in der zweiten Reihe und antwortet, wenn mir die Worte fehlen. Ich bin heilfroh, als ich mich aus der Zwangslage mit dem Gesicht zur Wand endlich erheben darf. Jetzt noch ein steriler Verband über die große blaue „Ziernaht“ und ich bin fertig.

Wir bekommen eine Rechnung und werden von der Schwester zur Zahlstelle begleitet. Die Quittung wird gegen ein Rezept für Antibiotika und Schmerzmittel getauscht. Ein kleines Zettelchen mit dem Hinweis das Bein hoch und ruhig zu halten und nach 10 Tagen die Fäden ziehen zu lassen, gibts noch obendrauf. Danach sind wir wieder entlassen. 

Für den Rückweg dürfen wir die Coast Guard nochmals beanspruchen. Inzwischen ist Rushhour und es dauert, bis das Auto kommt und noch länger, bis wir aus der Stadt raus sind. Auf dem Weg halten wir in der Apotheke an, um die abgezählten Pillen im Zippbeutelchen abzuholen. Es ist schon ein ganz anderer Standard als zu Hause, aber das System funktioniert!
Ich bin fix und fertig, als wir in der Marina ankommen. Jetzt steht da noch unsere feuchte Wäsche. Die kommt nun einfach in den Trockner, während wir eine Pizza bestellen. Es ist 1930 Uhr, als wir wieder an der Seestern angekommen. 1030 Uhr war ich aufgebrochen …

Nun habe ich viel Zeit, um die Umgebung zu beobachten, den einen oder anderen Blogartikel zu schreiben und Thomas einen Kochkurs und andere wertvolle Hinweise zu geben …

2 Kommentare


  1. Liebe Anke,
    Ich wünsche Dir eine schnelle Genesung.
    Liebe Grüße,
    Christophe

    Antworten

    1. Vielen Dank!
      Nach ziemlich genau 3 Wochen ist die Wunde nun fast zu und wir können wieder etwas längere Ausflüge unternehmen. Liebe Grüße aus Woburn (Grenada)

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