Schildkrötennacht

Über das CruiserNet erfahren wir, dass ein amerikanisches Paar eine Tour zum Levera Beach organisiert. Dort kommen zwischen April und Juli Lederschildkröten zum Eierlegen an den Strand. Über SPECTO, einem gemeinnützigen Verein zum Schutz der Tiere, können Touren gebucht werden. 

Zu acht steigen wir am Sonntagabend in den Bus, um ganz in den Norden Grenadas zu fahren. Es ist schon stockfinster, als wir das Ziel erreichen. Im kleinen Informationszentrum vor Ort gibt es ein paar Hinweise zum heutigen Abend, einige Fakten über die Tiere und den Verein. 

Die wie Dinosaurier anmutenden Tiere existieren schon seit etwa 100 Millionen Jahren und haben sich seit dem kaum verändert. Ihr Lebensraum ist über ein großes Gebiet verteilt von Alaska, Neuengland/Mittelatlantik, Südafrika, Pazifikinseln bis zum Indischen Ozean. Sie sind mit einem durchschnittlichen Gewicht von 380 kg die größten Meeresschildkröten der Welt. Bis zu 35 km/h schnell können sie sich im Wasser bewegen. Ihr Lieblingsessen sind Quallen. 

Bis zu 1200m tief können die großen Tiere tauchen. Wobei nicht ganz klar ist, ob sie die weiche, lederartige Schale haben, um so tief tauchen zu können (ihre Lieblingsnahrung schwimmt ja eher an der Oberfläche), oder ob sie so tief tauchen müssen, um ihre empfindliche, weiche Hülle von Parasiten zu befreien …

Die Weibchen kommen alle 2-4 Jahre mehrmals (etwa alle 10 Tage) zum Nisten an den Strand. Der Verein registriert und vermisst die Tiere und klärt die Bevölkerung auf. Schildkröteneier galten bis vor kurzem in der Karibik noch als Nahrungsmittel und der Mensch ist nicht der einzige Nesträuber. Interessant fand ich auch die Tatsache, dass die Temperatur über das Geschlecht der Schildkrötenbabies entscheidet. Höhere Temperaturen bringen Weibchen hervor und niedrigere die Männchen. Da es in Grenada eher heiß ist, werden in regelmäßigen Abständen auch Eier an einem kühleren Ort gebracht.

Nach der Einführung werden wir an den Strand gefahren. Jetzt heißt es warten und Daumendrücken, denn in den letzten 3 Tagen waren keine Tiere zum Nisten unterwegs. Der Sternenhimmel in dieser abgelegenen Umgebung ist unglaublich schön. Ein halber Mond versteckt sich hinter der kleinen Insel gegenüber und beleuchtet den Strand daher nur sehr spärlich. Die roten Taschenlampen erlöschen so nach und nach und alle Wartenden genießen die Ruhe unter dem zauberhaften Himmelszelt. Die Zeit vergeht wie im Flug. Nach etwa einer Stunde werden wir zum Nistplatz geführt. Dort hockt die riesige Schildkrötenmama in ihrer frisch gegrabenen Kuhle, hinter sich ein tiefes Loch. Ungefähr dreißig Jahre ist die Dame alt, lesen die Volontäre auf der Erkennungsmarke ab. Wie in Trance fängt sie an ihre kugelrunden Eier in das Loch fallen zu lassen. Die Leute vom Verein zählen mit, alles wird protokolliert, um einen Überblick zu haben. Die Besucher stehen im Halbkreis und beobachten gebannt und still das Geschehen. Dass die Eier in einem Eimer gesammelt werden, fühlt sich dann aber doch etwas komisch an. Die Mama sei zu dicht an der Flutmarke. Damit die Eier nicht von den Wellen wieder ausgegraben werden, bekommen sie einen sicheren Platz weiter oben, erklärt man uns. Ok, das ist einleuchtend.

Dann fängt „Big Mama“ an, ihre Brut zu tarnen. Unglaublich, wie viel Kraft sie aufwendet, um bestimmt 6 m2 Sand umzuwälzen. Erst schiebt sie ihn mit den vorderen Flossen zur Mitte, dann mit einem beeindruckenden Hüftschwung mit den hinteren weiter. Es dauert fast zwei Stunden, bis sie erschöpft in den Fluten verschwindet. Das war ein magisches Erlebnis für uns. 

Als wir wieder zurück am Schiff sind, ist es schon nach Mitternacht. An Schlafen können wir noch nicht gleich denken. Wir sitzen lange im Cockpit und lassen den Abend nochmals aufleben.

Durch das Rotlicht ist auf den Fotos leider nicht so viel zu erkennen. Das Titelbild ist aus dem Informationszentrum abfotografiert.

2 Kommentare


  1. Was für ein beeindruckendes Erlebnis. Das muss wirklich magisch gewesen sein.
    Danke für die vielen Hintergrundinformationen.
    Mit der Temperatur der Eier, das hatte ich nicht gewusst.
    Seid lieb gegrüßt
    Von den Großbeerenern

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    1. Ja, da hat sich die Natur richtig was einfallen lassen. Und obwohl nur etwa je 1000ste Schildkröte erwachsen wird,haben sie schon seit tausenden Jahren überlebt …

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