Nach etwa einer Woche haben wir uns eingearbeitet. Es gibt nur noch gelegentlich leichtes Unwohlsein. Nur die permanente Müdigkeit bleibt. Die vorbereiteten Mahlzeiten sind aufgebraucht. Wer zuerst Hunger bekommt, kocht für die ganze Meute oder nörgelt so lange, bis sich einer erbarmt …

Der starke Wind begleitet uns noch immer. Am Tag lässt sich das inzwischen gut aushalten. Die Seestern schaukelt meistens gemütlich in den länger werdenden Wellen hin und her. Nach Sonnenuntergang legt Rasmus immer noch eine Kohle drauf. Vor allem die Wellen werden unberechenbarer und setzen sich ab und zu mit ins Cockpit. Damit hat vor allem unsere Windsteuerung Probleme. Sie läuft dann aus dem Ruder und kann meist nur für kurze Zeit wieder eingestellt werden. In diesen Momenten sind wir besonders froh, zu viert unterwegs zu sein! Für das Aufteilen der Wachschichten hat es sich auf jeden Fall gelohnt, die Crew aufzustocken. Jetzt, wo es allen wieder wohler ist, genießen wir auch die gemeinsamen Momente in denen gealbert, sich über alles Mögliche ausgetauscht, die nahe Zukunft ausgemalt, geschwiegen, Sterne geguckt, Musik gehört, fliegende Fische und Seevögel beobachtet oder zusammen gekocht und natürlich gegessen wird.

Wir nutzen die Ruhe, um das auf den Kanaren gekaufte Angelequipment auszuprobieren. Bei 5-6 kn Fahrt plätschert der Gummipulpo (Köder) zusammen mit etwas Blei an 30 m stabiler Sehne hinter uns her und springt in den Wellen mit den fliegenden Fischen um die Wette. Endlich ist das Wetter wieder so schön, dass wir nacheinander auf dem Achterschiff eine 26 Grad warme Kübeldusche genießen. Was für eine Wohltat nach 5 Tagen fast ununterbrochen im Ölzeug.

Kurz danach beißt ein 72 cm langer Mahi Mahi ca. 40 m hinter dem Boot. Das am Gummiband an der Sehne befestigte Glöckchen macht plötzlich ein anderes Geräusch. Ich gehe vorsichtshalber mal gucken und siehe da, es hat jemand deutlich etwas von der Schnur abgewickelt … 

Langsam kurbel ich den Fang herein. Leuchten blau und gelb schillert er im glasklaren Wasser. Es ist nicht so einfach den kräftigen Kerl an Bord zu hieven, aber mit vereinten Kräften ist es bald geschafft. Der Weihnachtsschmaus ist also gesichert.

Am 23.12. können wir nach Westen abbiegen. Jetzt nehmen wir direkt Kurs auf die Karibik. Der Passtwind schiebt uns nun. 

Wir schaffen es endlich, mit Starlink einen Satelliten einzufangen. So können wir noch vor Weihnachten Kontakt zu unseren Lieben zu Hause aufnehmen und bekommen ein paar kurze Updates aus dem kalten Deutschland.

Und plötzlich ist es Weihnachten. Um uns herum sind 26 Grad, glitzerndes dunkelblaues Meer und hellblau strahlender Himmel. Das fühlt sich irgendwie unwirklich an. Unsere Familien treffen sich heute zum gemeinsamen Essen, Zusammensitzen, Geschenke tauschen und Spielen. Wir genießen eine erfrischende Atlantikdusche aus dem Kübel, gönnen uns hinterher ein wohlriechendes, frisches Shirt und bereiten unseren „Weihnachtskarpfen“ zu. Diesmal nicht mit der leckeren Lebkuchensoße alá Kathrin und Peter, sondern ganz einfach in Olivenöl mit Zwiebel und Knoblauch. So frisch und lecker, dass wir die Angel nach dem Essen gleich nochmal auslegen. Vielleicht gibt’s ja auch noch eine „Weihnachtsgans“ …

Der Weihnachtsmann hat den Weg zu uns nicht gefunden, aber das war von Anfang an klar. Dass wir hier sein können ist schon ein großes Geschenk für uns. 

Meine Schwester gab uns vor einem Jahr eine Anleitung für ein Raunachtritual, das bereiten wir vor. Es ist eine gute Gelegenheit, sich auf das Erlebte zu besinnen und in die Zukunft zu blicken.

Gerade als wir unsere Wünsche für das neue Jahr festhalten wollen, klingelt unser Angelglöckchen wieder. Heute Abend gibt es eine Fischsuppe …