Mayreau

Kleine Planänderungen gehören in unseren Alltag. Geplant war ja heute nach Clifton zu laufen, um auszuklarieren. Aber irgendwie hält uns St. Vincent noch fest. Wir gehen Anker auf und segeln in die andere Richtung. Um 1400 Uhr haben wir die 6 sm geschafft und entern eine der 8 kostenlosen Bojen vor dem schwedischen „Mayreau Beach Club“.

Mayreau ist mit 4 km2 die kleinste der bewohnten zu St. Vincent gehörenden Grenadinen. Old Wall, das einzige Dorf, hat etwa 300 Einwohner. Es gibt auch nur eine Straße, aber drei kleine Hotels. Ein Stromnetz existiert erst seit Anfang der 2000er Jahre. Auf der anderen Inselseite beginnen die Tobago Cays, bei denen wir vor einer Woche noch mit den Schildkröten um die Wette geschnorchelt sind.

Zur Begrüßung gibt es einen kräftigen Regenguss. Es ist gerade so viel, dass ich mal wieder meine Haare so richtig mit Süßwasser spülen und sogar unsere Handtücher entsalzen kann. Kurz vor Sonnenuntergang paddeln wir das kurz Stück bis zum Steg, genehmigen uns für umgerechnet 12€ zwei klitzekleine Bier und genießen den wunderschönen Blick durch das halboffene Hotelrestaurant auf das allerschönste Boot weit und breit. Die Yachties aus der Bucht dürfen kostenlos den Pool und die Duschen benutzen. Letzteres wäre noch eine Überlegung wert, obwohl ich die Haare ja gerade gewaschen habe …

Die Nacht wird dann allerdings etwas unruhig. Regenschauer, die uns die Luke zu und auf machen lassen sind da das kleinere Übel. Fallböen sausen immer wieder von den gerade einmal 85 m hohen Hügel hinab. Sie pfeifen im Rigg, drehen die Seestern aus ihrer Ausrichtung zum Wind, bringen sie ordentlich zum Schwanken und lassen die Mooringboje gegen den Bug bumpern. Es erinnert uns ein wenig an Peniche (Portugal), als wir vor dem Hafen ankerten in den die ganze Nacht die Fischerboote mit ordentlich Welle rein und raus flitzten … 

Bei Tagesanbruch hat sich dann alles wieder beruhigt. Die Schauer sind seltener und es weht nur noch ein zartes Lüftchen. Unser Bötchen schaukelt harmlos in der sanften Dünung. Pünktlich zum Frühstück kommt nochmals so viel Wasser vom Himmel, dass wir fast 8l in Schüssel und Eimer auffangen. 

Dann wird es schön und wir setzen über, um die Insel zu erkunden. Erstmal geht es steil bergauf. Der Ort ist so karibisch, wie man es sich nur vorstellen kann. Die Häuser sind bunt. Hunde, Hühner und Ziegen schlendern auf Futtersuche die Schotterwege entlang. Es gibt viele farbenfrohe Bars und diverse kleine Läden, die vom Bikini bis zur Zwiebel irgendwie alles im Angebot haben. In der Schule scheint gerade Mittagspause zu sein, denn wir treffen viele Kinder in ihren blauen Uniformen. An der höchsten Stelle befindet sich die kleine katholische Kirche „Zur unbefleckten Empfängnis“. Hinter dem Kirchlein haben wir einen atemberaubenden Blick auf die Tobago Cays mit ihren unendlich vielen Blautönen. 

Gerade als wir weiterziehen wollen, kommt eine kleine, alte Dame auf uns zu. „Habt ihr die schönste Aussicht schon gesehen?“ fragt sie und signalisiert, dass wir ihr folgen sollen. Sie führt uns einen schmalen Pfad entlang. Wirklich ein wunderschöner Blick auf die Cays und die Salt Whistle Bay. Dann drückt sie Thomas einen Zettel in die Hand. Auf dem steht, dass sie 87 Jahre alt ist und Geld für dringende ärztliche Versorgung auf der Hauptinsel St. Vincent braucht. Wir sollten ihr ein Souvenir abkaufen und damit unterstützen. Die Ketten sind nicht so nach unserem Geschmack. Wir geben ihr eine kleine Spende und ziehen weiter, den Berg auf der anderen Seite wieder herunter zu der Bucht, die wir eben von oben bewunderten. Vor dem goldgelben, palmenbesäumten Sandstrand schaukeln viele Katamarane. Unter den Bäumen flattern bunte Tücher zwischen den unterschiedlichsten Bars. An der schmalsten Stelle der Insel, hier hat nur eine Reihe zerzauster, windschiefer Palmen Platz, treffen sich fast der wilde Atlantik und die ruhigere Karibische See aus der geschützten Bucht. Ein wirklich krasser Unterschied. Am anderen Ende des Strandes in der „Last Bar Before the Jungle“ kehren wir für eine Mittagspause ein. „Fish and Chips“ wollten wir ja nie wieder haben, aber mit karibischer Würze mundet es uns richtig gut. Der kleine Supermarkt zwischen den Lokalen hat neben Tüchern und Shirts auch ein paar Lebensmittel.  Obst und Gemüse haben leider die beste Zeit schon hinter sich. Eine kleine Melone und ein Brot wandern trotzdem in unseren Rucksack. Auf dem Rückweg machen wir uns in den zahlreichen kleinen Einkehrmöglichkeiten auf die Suche nach Kaffee und Eis. Nach mehreren erfolglosen Anfragen  haben wir im „Dennis Hideaway“ Glück. Den Kaffee setzt er sofort an und Eis besorgt er vom Nachbarn. Dann setzt sich Dennis mit seiner Tasse zu uns. Ob wir aus dem Sauerland kommen, fragt er schmunzelnd. Kaffee und Eis zusammen gibt es seiner Meinung nach nur dort. Und schon sind wir mitten in einem lebhaften Gespräch über Deutschland (er hat eine zeitlang im Schwarzwald gelebt) und über die Insel. Er klärt uns über den Mythos aus dem Internet (die Insel gehört bis heute noch den Erben der sechs französischen Kolonialherren) auf. Zwar haben die ehemaligen Plantagenbesitzer ihren Kindern das Land überlassen, sagt er. Aber es waren die, welche sie mit den Arbeiterinnen hatten und nicht mit nach Europa nehmen konnten …

Zurück am Boot, die Bucht hat sich inzwischen gut gefüllt, tauchen wir erstmal ab. Die Sonne hat doch noch deutlich an Kraft gewonnen, nachdem die Regenwolken so nach und nach abgezogen sind.

Die nächste Nacht wird zum Glück etwas ruhiger, da der Wind immer mehr auf Ost dreht und wir dadurch besser von der Insel abgeschirmt werden.

Am Dinghidock gibt es einen Trinkwasseranschluss. Mit unserem Schlauchi fahren wir zweimal hinüber, um unsere großen Wasserflaschen zu füllen. So können wir nochmal 80 l Wasser filtern und in unseren Tank füllen. Das gestern gesammelte Regenwasser verbrauchen wir zum Klarspülen der im Salzwasser gewaschenen Shirts und Hosen. Frisch eingekleidet setzen wir noch einmal über, um Mayreaus südliche Buchten zu erkunden. Als Thomas aus dem Dinghi klettern will, schnippt in einer Welle das kleine Bötchen unter den Steg. Er kann sich gerade noch halten, aber mit der frisch gewaschenen Bux‘ ditscht er doch ins salzige Wasser… 

Vor dem Saline Beach ist es heute richtig voll. Neben einem modernen Großsegler schaukeln hier noch ein paar kleinere Yachten. Unter den Palmen probt gerade eine Steeldrumband. Schade, als wir bei ihnen ankommen, legen sie eine Pause ein … So schön es hier aussieht, es riecht sehr eigentümlich. Wir entdecken ein Sanitärhebäude am Strand. Eigentlich eine tolle Idee, aber wenn das mit dem Abfluss nicht klappt …

Uns gefällt es hier nicht so wirklich, trotz Palmen und goldgelbem Sand. Wir wandern weiter. Einer der zahlreichen Inselhunde schließt sich uns an. Es wirkt fast so, als ob er uns einen schöneren Ort zeigen möchte, wie die alte Dame gestern. Er läuft immer ein Stück vor und wartet dann auf uns. Vorbei am E-Werk, das mit Generator und Solar den Strom für das Dorf erwirtschaftet. „Unser“ Hund leitet uns bis zur Windward Bay, dort versteckt sich eine zauberhafte Bar „The Ranch Ecapade“. Am weißen Strand (zum ersten Mal sehen wir wirklich weißen Sand in der Karibik) zwischen den Palmen sind lauter kleine, ganz unterschiedliche Sitzecken versteckt. Auf zwei Schaukeln direkt über dem Wasser genießen wir einen eiskalten Punsch. Und weil es uns so gut gefällt, gibt’s auch noch Fish and Chips bzw. einen Burger mit einem extradicken Fleischpatty … Oberlecker mit einem Knoblauchdip, der mit Undines Knoblauchbutter mithalten kann ;o) „Unser“ Hund hat geduldig auf unsern Rückmarsch gewartet. Nur zweimal lugt er um die Ecke. Als wir uns zu Gehen bereit machen, steht auch er bereit und bringt uns wieder zurück zum anderen Strand. Dann geht er wohl wieder nach Hause …

Im kleinen Supermarkt ergattern wir noch ein Brot, denn das von gestern hat sich (obwohl aus weißem Hefeteig) als ausgesprochen gut herausgestellt.

Am nächsten Morgen verlassen wir die wunderschöne kleine Insel und brechen schon zeitig Richtung Bequia auf. Dort wollen wir nochmal 2 m Meshgewebe für unser Schattenprojekt kaufen und uns etwas mit Obst und Gemüse eindecken. Die letzten Tage war die Versorgung ja eher dünn.

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