Tropische Depression 

… ist kein Burnout in der Karibik …

Es bezeichnet vielmehr eine Wetterlage. Tropische Depressionen oder tropische Wellen erzeugen ungeordnete Gewitter- und Schaueraktivitäten, die mit tropischen Stürmen bis ca. Windstärke 7 einhergehen. 

Seit Anfang Juni befinden wir uns offiziell in der Hurrikansaison. Normalerweise liegt die aktivste Phase des Jahres zwischen Mitte August und Mitte Oktober, bevor die Hurrikangefahr im November endet. Hier im Süden Grenadas sollten wir eigentlich relativ sicher sein. Es gibt mehrere mehr oder weniger nach Süden ausgerichtete, unter anderem durch Riffe geschützte Buchten, die in den Seekarten als Hurrikanholes gekennzeichnet sind. Dort „verkriechen“ sich viele Yachten, wenn es brenzlig wird. 

Auf Hog Island, also ganz in unserer Nähe, findet jeden Sonntag Nachmittag ein Cruisertreff statt. So kommen alte Hasen, die teilweise schon über 10 Jahre in der Bucht leben, und Neulinge, wie wir, zusammen. Schon bei einem der ersten Treffen hören wir, dass die meisten Karibiksegler erst im August eintrudeln und bis dahin alle noch ganz entspannt ist. 

Den ersten tropischen Sturm, er bekam den Namen Alberto, können wir noch aus der Ferne beobachten. Er braut sich im Golf von Mexiko zusammen und wird in der Vorhersageapp erst durch ein gelbes Kreuz, dann durch ein orangefarbenes und später als buntes Gebilde dargestellt. Wir beobachten das und vergleichen die Darstellung mit den anderen Wettermodellen. Wie gesagt erstmal aus der Ferne und ganz entspannt. 

Und plötzlich, Ende Juni, taucht so ein Kreuz östlich von uns auf. Es ist wieder erst gelb und wechselt innerhalb von 24 Stunden auf rot. Ein paar Hundert Meilen östlich der Windward Islands braut sich ein tropisches Tiefdruckgebiet zusammen. In der Nähe der Kapverdischen Inseln wurde es geboren und zieht jetzt, befeuert durch die hohen Wassertemperaturen, Richtung Karibik. Also irgendwie auf uns zu. Und gerade jetzt haben wir nur noch ganz wenig Internet auf der karibischen Digicelkarte. Thomas versucht einen provisorischen Router mit unserem Starlink zu verbinden, damit wir wieder öfter an Wetterdaten kommen und mit den Anderen kommunizieren können. Die anderen deutschen Segler versorgen uns außerdem analog mit Informationen. So reicht es, 3x am Tag kurz ins Netz zu gehen.

Da die Einheimischen noch immer sehr entspannt wirken, bleiben wir auch ruhig, versuchen es zumindest. 

Dann ziehen einige Yachten in die nächste, schmalere und damit geschütztere Bucht um. Wir beobachten das Wetter weiter. Laut Windy zieht der Sturm weiter im Norden durch. Auf der Karte vom NHC (National Hurrikan Center) ist ein größerer Bereich, etwa von Grenada bis St. Lucia gekennzeichnet. Zwei der deutschen Boote ziehen am Nachmittag um, und wir?

Wir sind am Freitag noch ganz entspannt. Es sieht alles sicher aus um uns herum. Samstag morgen ändert sich die Situation. Von Locals betreute Yachten werden in den Mangroven vertäut und es herrscht allgemeine Aufregung. Die tropische Welle hat sich inzwischen zu einem Hurrikan entwickelt und hört auf den Namen Beryl. Wir beschließen kurzfristig, Grenada Richtung Trinidad zu verlassen. Das heißt, dass wir ausklarieren und das Schiff seeklar machen müssen. Außerdem bildet sich gerade eine neue tropische Welle auf dem Atlantik …

Während Thomas mit dem Bus nach St. George’s zur Behörde fährt, räume ich auf und bereite eine Mahlzeit für unterwegs vor. Als wir gegen 1400 Uhr fertig sind, überrollt eine große Gewitterzelle mit viel Regen und ordentlich Wind die Bucht. Das warten wir wohl erstmal ab. Kurz nach 1600 Uhr laufen wir gemeinsam mit der Endless Summer aus der Woburn Bay aus. Die ersten Meilen sind sehr holprig und ich muss mich ordentlich „dopen“, um es auszuhalten …

Sonntag Mittag lassen wir den Anker im Norden Trinidads fallen. Das zweite Windereignis hat nun den Namen Chris bekommen, wird also auch etwas größer.

Der Hurrikan Beryl wurde jetzt die Kategorie 4 zugeschrieben und zieht etwas nördlicher. Sein Zentrum soll in den Morgenstunden auf Land treffen.

Das macht er dann am späten Vormittag auf Carriacou mit ca. 12 Beaufort. In den sozialen Netzwerken werden Bilder von umher geflogenen Dächern und gestrandeten Fischerbooten gepostet. Auf Barbados ist eine Mole gebrochen und hat große Wellen in den Hafen geworfen. Draußen auf dem Atlantik sollen sich die Meere bis 38 Fuß, dass ist so hoch, wie unsere Seestern lang ist getürmt haben. 

Unsere Entscheidung herzukommen hat sich also für uns als richtig erwiesen.

Chris wird zum Glück doch nicht so groß, er scheint sich während seines Zuges aufzulösen.

Die Entwicklungen bleiben also spannend. Und es fühlt sich schon etwas eigenartig an, auf der anderen Seite des Fernsehers zu sein und nicht nur zu beobachten, was am anderen Ende der Welt geschieht …

Beryl hat vier Rekorde errungen schreibt „Tagesschau.de“. Es gab noch nie eine Hurrikan in dieser Stärke (bis 220 km/h) so zeitig in der Saison. Innerhalb von 24 Stunden hat er sich von einem Tropensturm zu einen Hurrikan der zweitstärksten Kategorie ausgebildet und übertrifft damit „Dennis“, der sich 2005 ähnlich entwickelt hat …

Unsere Freunde, die im Süden Grenada geblieben sind, hatten sich gut gesichert und alle losen Teile an Bord abgebaut. Sie haben das Extremwetter schadlos überstanden. Wir haben die ganze Zeit mitgefiebert.

2 Kommentare


  1. Schön zu lesen, dass Ihr wohlauf seid!
    Das war eine gute Entscheidung nach Süd zu fliehen. Liebe Grüße aus dem nicht stürmische Provence

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    1. Es fühlt sich für uns immer noch wie knapp entkommen an, obwohl wir noch lange nicht die Letzten waren …
      Jetzt versuchen wir zu helfen, indem wir die größeren Yachten und Katamarane mit beladen, die Hilfsgüter nach Norden transportieren.
      Liebe Grüße aus Trinidad

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